Aus den Erinnerungen des ehemaligen Ederener Pfarrers Leuchtenberg

Pfr. Wilhelm Leuchtenberg

In einem Brief aus dem Jahr 1981 antwor­tet Pfar­rer Wilhelm Leuch­tenberg auf eine Anfrage des Bar­me­ner Heimatfor­schers H. Holtz betref­fend der Wil­libr­ordusver­eh­rung in Ede­ren. Pfar­rer Leuch­tenberg gibt in sei­nen Aus­füh­run­gen inter­essante Ein­bli­cke über seine zurück­liegende Zeit als Pfar­rer in Ede­ren.

[Pfar­rer Leuch­tenberg wurde am 25. Dezember 1913 in Krefeld geboren und am 5. März 1939 in Aachen zum Pries­ter geweiht. Am 22. März 1939 kam er als Neu­pries­ter zum ers­ten Mal nach Ede­ren, um für den damals erkrank­ten Pfar­rer Pütz für 14 Monate die Seelsorge zu über­neh­men. Danach war er bis zum 14. Oktober 1943 Pfarrver­wal­ter in Notberg und bis 1947 in Beek. Am 18. Mai 1947 wurde er zum Pfar­rer von Ede­ren ernannt, wo er bis zum 9.12.1959 sei­nen Dienst ver­rich­tete. Anschließend war er bis 1980 Pfar­­rer in Birkesdorf, wo er auch den größ­­ten Teil sei­­nes Lebens­­a­bends ver­­brachte. Er ver­­­starb am 17. Januar 2002 im Alter von 89 Jah­ren in Matrei in Ost­ti­rol.]

Düren, 17. Okt. 1981

Ich bestä­tige den Erhalt Ihres Schreibens vom 11. Oktober 81 und möchte Ihnen kurz dar­auf antwor­ten.

Als ich am 22.3.1939, als Neu­pries­ter zum ers­ten Mal nach Ede­ren kam, um für den dama­ligen, erkrank­ten Pfarre Josef Pütz prak­tisch die gesamte Seelsorge­arbeit allein zu über­neh­men, waren die Wil­libr­orduska­pelle und der dahin­ter­liegende Wil­libr­ordusbrun­nen noch in einem rela­tiv guten Zustand, wenn­gleich der Brun­nen schon seit länge­rer Zeit durch Absin­ken des Grund­was­ser­spiegels tro­cken war. Sicher ist, daß noch in der Zeit kurz vor­her Pil­ger, selbst aus Hol­land, nach Ede­ren gekom­men waren, als Ein­zel­pil­ger, um "Wil­libr­ordus­was­ser" zu holen, das besonders gegen Schorf Hei­lung brin­gen sollte. Dies ist mir damals von Pfar­rangehö­rigen gesagt wor­den. An irgendwel­che Unter­la­gen, falls sol­che vor­han­den gewe­sen sein soll­ten, konnte ich in den 14 Mona­ten, die ich dort war, lei­der nicht kom­men.

In der Gemeinde war aber die Über­liefe­rung ver­brei­tet, daß der hl. Wil­libr­ord an der Stelle der Wil­libr­orduska­pelle gepre­digt und also mis­sio­niert habe. Als ich auf besonde­ren Wunsch von Bischof van der Velden, den wir als Regens im Semi­nar gehabt hat­ten, am 18. Mai 1947 als Pfarre nach Ede­ren zurückkehrte, war neben der von deut­schen Truppen total zer­stör­ten Pfarr­kir­che auch die Wil­libr­orduska­pelle stark beschä­d­igt, vor allem das Gewölbe.

In der dama­ligen Zeit hat die Pfarrgemeinde einen unwahr­schein­li­chen Auf­bauwil­len gezeigt, nach­dem vor­her seit Kriegs­ende nichts gesche­hen war, viel­mehr die Got­tesdi­enste in einem klei­nen Raum des gemeinde­ei­ge­nen Hauses gegenüber der Kir­che, der zugleich als Schulraum diente, abge­hal­ten wer­den muß­ten. Das Aller­hei­ligste stand im Hausflur des Pfarr­hauses. Bei mei­ner Ernen­nung hat der Fuß­ballclub die total zer­störte Kir­che ent­schut­tet, sodaß meine Einfüh­rung in den drei noch ste­hen­den Wän­den der Kir­che unter freiem Himmel gehal­ten wer­den konnte.

Auch einem Auf­ruf zur Instand­setzung der Wil­libr­orduska­pelle kam die Gemeinde freu­dig nach, und nach der Wieder­her­stel­lung habe ich dann, um die Ver­eh­rung des hei­ligen Wil­libr­ord leben­dig zu erhal­ten, in die­ser Kapelle an allen Mon­ta­gen die hl. Messe gefei­ert, und zwar für die gefal­le­nen und ver­miß­ten Sol­da­ten. Ein für die Pfarrgemeinde gedruck­ter Gebets­zet­tel hatte auf der Vor­der­seite die Abbildung der in der Wil­libr­orduska­pelle ste­hen­den und eben­falls restau­rier­ten Statue des hl. Wil­libr­ord. Ein Junge wurde auf den Namen Wil­libr­ord getauft.

Von Echter­nach kam dann auch anläß­l­ich der Grund­steinle­gung der dor­tigen Wil­libr­ordus­basilika, die ja auch, wie die Pfarr­kir­che in Ede­ren, von deut­schen Truppen gesprengt wor­den war, mit einem Gruß an alle Wil­libr­ordus­stät­ten eine Ein­ladung zur Festfeier nach Echter­nach, an der ich aber nicht teil­neh­men konnte. Ich bin wohl mit allen Mini­s­tran­ten, ein­schließ­l­ich derer von Welz, des­sen Pfarrver­wal­ter ich eine Zeit­lang war, zur Spring­pro­zes­sion nach Echter­nach gefah­ren. Das­selbe habe ich auch mehrmals noch mit einer Pilger­gruppe hier aus Birkesdorf und mit dem von mir hier gegrün­de­ten (und noch beste­hen­den) Jugend­blas­or­ches­ter (ca. 60 Jugend­li­che Mit­glieder) getan.

Den jetzigen Zustand der Wil­libr­orduska­pelle ken­nen Sie ja. Die regelmäßige hei­lige Messe dort ist mei­nes Wis­sens nicht beibe­hal­ten wor­den.

Vor vierzehn Tagen war der jetzige Pfar­rer von Welz und Pfarrver­wal­ter von Ede­ren, Pfar­rer Lan­gen, mit Herrn Fritz Reu­ters bei mir, um mich zu einem für den Brasili­enmis­sio­nar Pater Theo Sybe­richs (Jaboticaba, Brasilien), den ich aus Ede­ren als einen Sohn der Pfarre Ede­ren damals aus­sen­den konnte, und der auch mei­nem, vom Bischof gewünsch­ten Über­neh­men der auch zum Auf­bau anste­hen­den Pfar­rei Birkesdorf von hier aus wei­ter unter­stützt wird, einzu­la­den. Hierbei zeigte mir Herr Reu­ters das gesamte Manuskript sei­nes Buches über Ede­ren, und anläß­l­ich des Pfarr­fes­tes dort auch den Brief vom Landschafts­ver­band über die "Matro­nen­köpfe", als sol­che seit jeher in Erin­ne­rung, die aber nun doch keine sind, viel­mehr eben römisch. Die müs­sen es ja wis­sen! Diese bei­den "Matro­nen­köpfe" waren in einem Torbogen vor, bzw, seit­lich vom Pfarr­haus, durch den man zur eigent­li­chen Haus­tür gelangte. Bei der Umge­stal­tung mußte das alters­schwa­che Tor abge­bro­chen wer­den. Ich habe damals die bei­den Köpfe in die Mauer der neuen Pfarr­haus­einfrie­digung einmauern las­sen. Wie Herr Reu­ters mir sagte, ist beab­sich­tigt, besonders wo das Pfarr­haus jetzt leer steht, die bei­den Köpfe mög­li­cherweise in eine Wand der Krypta der Pfarr­kir­che einmauern zu las­sen.

Vieler­lei habe Ich Ihnen nun geschrie­ben, und vielleicht weniges, womit Sie wirk­lich etwas anfan­gen kön­nen. Ich habe, als ich 1947 in das völ­lig zer­störte Ede­ren kam, von mei­nem Vor­gän­ger außer Matrikelbüc­hern nicht ger­ade viel übernom­men. Er lebte damals noch bis zu sei­nem Tode am 5.12.1948 sehr krank in mei­nem Hause, das ich selbst erst einiger­maßen bewohnbar hatte machen müs­sen. Vielleicht haben Sie eine kleine Vor­stel­lung von dem, was ich vor­fand, wenn ich - mit Ver­laub! - sage, daß immer­hin seit Kriegs­ende bis zu mei­nem Amts­an­tritt noch keine Toilette vor­han­den war, sodaß man anfangs in die Nach­bar­schaft gehen mußte.

Das Manuskript von Herrn Reu­ters habe ich in der kur­zen, uns zu Ver­fügung ste­hen­den zeit, eigent­lich nur flüch­tig, wenn auch mit großem Inter­esse, durch­ge­blät­tert. Ich glaube aber, daß Herr Reu­ters, der sich ungewöhn­li­che Mühe gemacht hat, Ihnen auch in Ihren Fra­gen weiter­helfen kann.

Dies noch: In einer klei­nen Schrift von Georg Kie­sel, Insti­tut St. Wil­libr­ord, Echter­nach, die 1949 mit den "Gedenkblättern" zur Erin­ne­rung an die Feier der Grund­steinle­gung der Basilika des hl. Wil­libr­ord (St. Pau­lus-Dru­cke­rei Lux­emburg 1949) und der darin aus­ge­spro­che­nen Ein­ladung zugesandt wurde, steht unter den vie­len Kir­chen­pa­tro­na­ten in Belgien, Deutsch­land Frank­reich, Hol­land und Lux­emburg auch ver­merkt "Diözese Aachen; Kapelle Ede­ren".

Ich selbst habe auch als Pfar­rer i.R. ( = "in Reich­weite"! ) noch viele Seelsorgsaufga­ben und bin hier in Birkesdorf, im Deka­nat und über die Bistumsgren­zen hin­aus noch immer tätig.

Für heute freund­li­che Grüße mit den bes­ten Wün­s­chen für Ihre Arbeit

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